Partnerschaft und Sexualität

Viele unserer Interviewpartner leben in einer festen Partnerschaft, manche sind getrennt, andere leben ohne Partner.

Die Partner der von uns interviewten Personen sind von der Epilepsie häufig mitbetroffen, sie müssen ebenfalls mit den Anfällen und ihren Auswirkungen leben. Fast alle Interviewpartner beschreiben ihre Partnerschaft jedoch als wichtigste Quelle der Unterstützung und Rückhalt für das Leben mit der Erkrankung.

Cornelia Schmitt erzählt, wie ihr Partner ihr geholfen hat, durchzuhalten.

Ein häufig erwähntes Thema in unseren Interviews ist die Suche nach einem Partner oder Partnerin. Gerade in der Kennenlernphase stellt sich für viele Menschen mit Anfällen die Frage: “Wie gehe ich mit dem Problem um, einem neuen Partner oder Partnerin von den Anfällen zu berichten? Wann ist der geeignete Zeitpunkt, was möchte ich erzählen und wie reagiert mein Gegenüber darauf?“ (siehe auch Thementext „Reden über Anfälle“)

Viele Interviewpartner schildern, dass sie es sich angewöhnt haben, möglichst früh von den Anfällen zu erzählen, damit die neue Bekanntschaft nicht von einem Anfall überrascht wird und im Falle des Falles auch weiß, was zu tun ist.

Thomas Kern erzählt, dass er eine neue Partnerin nicht mit den nächtlichen Anfällen überraschen will.

Andere Erzähler berichten, dass sie abwarten, bis man sich ein bisschen kennengelernt hat, weil sie das Gefühl haben, dann nicht nur auf die Krankheit reduziert zu werden. Für manche ergibt sich die Notwendigkeit nicht, die Anfälle offenzulegen, weil sie sehr selten Anfälle haben und davon ausgehen, dass der Freund oder Partner dann nicht anwesend ist.

Viele erzählen, dass es ihnen unangenehm ist, in der Kennenlernsituation von der Epilepsie zu sprechen, da sie nicht wissen, wie der andere reagieren wird und sie Sorge haben, sie könnten wegen der Anfälle auf Ablehnung stoßen.

Einige Interviewpartner machten die Erfahrung, dass ihr Gegenüber bereits jemanden mit Epilepsie oder einer anderen Erkrankung oder Behinderung kannte. Diese Gemeinsamkeit erleichterte häufig das Reden über die Anfälle.

Cornelia Schmitts erster Mann hatte ebenfalls Epilepsie.

Die Interviewpartner schildern sehr unterschiedliche Reaktionen der Mitmenschen auf die Mitteilung der Epilepsie: So erzählt Claudia Hartmann , dass sie damit rechnete, auf Ablehnung zu stoßen, wenn sie von der Epilepsie erzählt und dass sie sehr erstaunt war, wie gut das aufgenommen wurde. Andere berichten, wie ihre Partner mit Erschrecken oder Unglauben reagierten, einige wenige auch mit Ablehnung.

Manche unserer Interviewpartner suchen schon lange nach einem Partner und erleben die Anfälle als großes Hindernis, jemanden zu finden. Manchmal erschwert die Sorge, abgelehnt zu werden, auch das Zugehen auf andere Menschen.

Florian Beck erzählt, dass er sich nicht sicher ist, ob er die Anfälle einem anderen Menschen zumuten kann.

Andere hatten keine Schwierigkeiten, einen Partner zu finden. Die Anfälle wirkten sich dann erst später in der Beziehung aus.

Martin Krüger schildert, dass seiner Erfahrung nach die Epilepsie für seine Partnerinnen zuerst kein Problem darstellt, die Dauerbelastung durch die häufigen Anfälle in allen Lebenslagen aber nach 2 bis 3 Jahren zu groß wird.

Martin Krüger erzählt von der Dauerbelastung für seine Partnerinnen.

Viele unserer Interviewpartner leben in einer festen Beziehung oder Ehe. Die Erfahrungen mit Anfällen in einer festen Partnerschaft sind sehr vielfältig. Im alltäglichen Zusammenleben erlebt der Partner die Anfälle oft zwangsläufig mit, teilweise ist er auch die erste Person, die über den Anfall informiert wird oder Entscheidungen trifft, was zu tun ist. Bei den Menschen, die vor allem nachts Anfälle bekommen, sind es fast ausschließlich die Partner, die die nächtlichen Ereignisse miterleben und die auch davon berichten können. Einige Interviewpartner erzählen auch, dass ihre Partner sie bei der Einnahme der Tabletten unterstützen und ihnen dabei helfen, sich an bestimmte Alltagsregeln zu halten, die die Anfälle verhindern können.

Ein wichtiges Thema ist deshalb für unsere Erzähler die Frage, wie der Partner oder die Partnerin die Anfälle miterlebt und mit ihnen umgeht. Viele Erzähler bedauern dass ihre Partner den unschönen Anblick der Anfälle miterleben müssen, und würden ihnen das gern ersparen. Es ist ihnen bewusst, dass es für Nahestehende sehr belastend ist, die Anfälle mitzuerleben und nichts dagegen tun zu können.

Julia Brandts Partner meinte, man gewöhnt sich ein bisschen daran.

Für Sven Franke war es sehr hilfreich, dass seine Freundin ihm erst später von ihren Ängsten erzählte.

Einige Interviewpartner erzählen, dass ihre Partner einen heftigen Anfall miterlebten, der sie im Nachhinein noch lange beschäftigte. Andere berichten von schwierigen Phasen, in denen die Anfallssituation unkontrollierbar schien und sie im Nachhinein merkten, wie belastend das auch für ihre Partner war. So ist für manche das Wissen, dass der andere sich Sorgen macht, belastender als die Anfälle selber.

Sven Franke erzählt, dass es vor der geplanten Operation nicht möglich war, sich auch um die Ängste seiner damaligen Freundin zu kümmern.

Manche Interviewpartner schildern, dass ihre Partner sehr besorgt um sie sind und sie sehr genau beobachten, um möglichst frühzeitig einen Anfall zu bemerken. Einige berichten, wie schwer es ihren Partnern fällt, sich keine Sorgen zu machen, wenn sie alleine unterwegs sind.

Der Mann von Bettina Reinhard macht sich große Sorgen, wenn sie alleine aus dem Haus geht.

Einige Erzähler berichten auch, dass ihre Partner es sehr früh merken, wenn sich ein Anfall ankündigt und sie dann wissen was zu tun ist: für eine sichere Umgebung sorgen, wenn notwendig, ein Notfallmedikament geben oder den Notarzt rufen.

Manche Interviewpartner erzählen, dass ihnen ihre Partner viel Kraft geben, indem sie in der Anfallssituation Ruhe bewahren und sie hinterher gemeinsam über den Anfall sprechen können.

Susanne Schäfer erzählt, dass ihr Mann immer die Ruhe bewahrte, wenn ein großer Anfall auftrat. Das war für sie sehr hilfreich, um mit der Situation selber zurecht zu kommen.

Andere Erzähler beschreiben, dass es für ihre Partner sehr schwierig ist, hinterher darüber zu reden und sie sich mehr Verständnis wünschen.

Angelika Koch erzählt, dass es für ihren Freund sehr schwierig ist, über seine Gefühle zu sprechen.

Viele Interviewpartner beschreiben, dass sich durch die Anfälle die Aufgabenverteilung in ihrer Partnerschaft verändert hat. Bei vielen übernimmt der Partner alle Aufgaben, die mit Autofahren zu tun haben, wie Einkaufen oder die Fahrten zum Arzt oder anderen Terminen. Sie beschreiben auch, dass sie ihre Partner mit zu Arztterminen nehmen, um gemeinsam neue Informationen und Behandlungsvorschläge diskutieren zu können.

Bei den Erzählern, die aufgrund der Anfälle nicht mehr in der Lage sind zu arbeiten, beschreiben manche, dass sie nun zuhause mehr Aufgaben übernehmen,

Andreas Bergmann findet es selbstverständlich, dass man sich in der Partnerschaft Aufgaben teilt, auch ohne Epilepsie.

David Sahin findet die Vorstellung komisch, dass seine Partnerin bei Anfällen die Beschützerrolle übernimmt.

Andere Erzähler berichten von einer größeren Nähe und Zusammengehörigkeit in der Partnerschaft, die sich aus der neuen Aufgabenverteilung ergeben hat.

Christine Becker erzählt, dass sie seit einer Operation anfallsfrei ist. Seitdem hat sich die bisherige Aufgabenverteilung, in der ihr Mann alle Außenaktivitäten übernahm, verändert und es war für beide nicht einfach, sich wieder neu zurecht zu finden.

Christine Becker erzählt von der neuen Aufgabenverteilung, seit sie anfallsfrei ist.

Neben dem großen Halt und der Unterstützung, die viele Erzähler von ihren Partnern erhalten, gibt es auch Interviewpartner, die erfahren mussten, dass ihre Partner mit der Situation nicht zurecht kamen und die Beziehung beendeten. Häufig war das der Fall, wenn die Anfälle erst neu aufgetreten waren und schwer in den Griff zu kriegen schienen. Bei einem Interviewpartner machte sich die Partnerin große Sorgen um das gemeinsame Kleinkind und trennte sich aus diesem Grund von ihrem Mann.

Viele unserer Erzähler berichten jedoch davon, dass ihre Partner trotz der Anfälle zu ihnen stehen und sie nach bester Möglichkeit unterstützen. Einige Interviewpartner erzählen, dass sie ihre Partner in einer Phase kennenlernten, als es ihnen gerade besonders schlecht ging und sie sehr dankbar sind, dass sie dennoch zu ihnen gestanden haben. Und für viele Paare ist der Umgang mit den Anfällen auch etwas Alltägliches geworden, das zum gemeinsamen Leben dazugehört.

Martin Vogt ist froh, dass seine Frau so gut mit den Anfällen zurecht kommt.

Daniela Weber erzählt, dass die Anfälle für ihren Mann nie ein Problem darstellten.

Sexualität

Da die Anfälle bei vielen Interviewpartnern jederzeit unberechenbar auftreten können, fragten wir auch nach Auswirkungen auf die Sexualität. Die meisten Erzähler und Erzählerinnen schilderten keine Auswirkungen der Anfälle auf ihr Sexualleben. Auch von wissenschaftlicher Seite gibt es keine Hinweise auf eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass während des Geschlechtsverkehrs ein Anfall auftritt, jedoch kann zufällig natürlich auch ein Anfall zu diesem Zeitpunkt auftreten. Einer unserer Interviewpartner berichtet von einer solchen Erfahrung. Seine Freundin war damals sehr erschrocken, jedoch kam es nicht häufiger zu diesem Erlebnis.

Eine andere Interviewpartnerin berichtet, dass sie eine Zeit lang Angst hatte, dass beim Geschlechtsverkehr ein Anfall auftreten könnte, was ihr besonders durch das gleichzeitige Einnässen unangenehm war, es ist ihr jedoch nicht passiert.

Einige erzählten von einer Unsicherheit, ob die Medikamente nicht doch Einfluss auf Lust oder sexuelle Erregbarkeit haben. Das ist je nach Medikament, Dosis und Kombination auch durchaus möglich und sollte am Besten mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Eine Interviewpartnerin berichtet, dass sie durch die Medikamente sehr trockene Haut bekam und damit auch Probleme beim Geschlechtsverkehr auftraten. Heute hat sie einen Umgang damit gefunden.