Die Erfahrungen von Ulrike Blessinger

Portrait Ulrike Blessinger war 40 Jahre alt, als Brustkrebs diagnostiziert wurde. Durch einige Krebserkrankungen von Familienmitgliedern, habe sie sich schon früh mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Die heute 49-Jährige ist u.a. gestalterisch tätig. Die Kunst bot ihr einen wichtigen Zugang zur Krankheitsaufarbeitung.

Als Ulrike Blessinger die Diagnose erhielt, empfand sie es als tröstlich, Entscheidungsmöglichkeiten und einen „vielfältigen Fahrplan“ zu haben. Die brusterhaltende Operation verlief problemlos, die Histologie zeigte jedoch, dass eine Nach-Operation nötig sei. Dass diese auf ihren Geburtstag gelegt wurde, deutete sie als Chance für eine „zweite Geburt.“

Sie entschied sich gegen eine Chemotherapie, was ihr Onkologe unterstützte. Die Bestrahlung wurde in einer naheliegenden Kleinstadt durchgeführt, sie mietete sich dort ein Zimmer als Atelierwohnung. Genug Zeit für sich und ihr künstlerisches Schaffen zu haben, sei ihr wichtig. Die Bestrahlung selbst erlebte Ulrike Blessinger als „alle Sinne ausblendend“: man sehe, rieche, höre und schmecke nichts. Sich zu vergegenwärtigen, dass dieser „hochtechnische“ Vorgang gut für sie und ihren Weg der Heilung sein werde, half ihr sehr.

Die anschließende Hormontherapie löste starke Migräne und Neurodermitis aus, die ihre Lebensqualität so sehr minderten, dass Ulrike Blessinger die Therapie nach einem halben Jahr abbrach. Sie erzählt lachend, dass sie einen Reha-Aufenthalt abgelehnt habe, denn ihre Reha sei der Umzug in den Ort der Strahlenpraxis gewesen. Dort hätte sie alles, was sie bräuchte: die Berge und den See. Auch künstlerisch orientierte sie sich um.

Ihr Heilungsgeschehen sieht Ulrike Blessinger als Mosaik aus vielen kleinen Bausteinen: eine bewusste Ernährung, die Natur oder ätherische Öle, die sie nach der Operation von Freundinnen als „hochkonzentrierten Blumenstrauß“ geschenkt bekam und aromatherapeutisch einsetzte. Die Kunst war ihr Ventil, um die tagtäglichen Begegnungen für sie fassbar umzusetzen: Vom ersten Tag der Diagnose an führte sie ein Künstlertagebuch.

Durch ihren Onkologen, der all ihre Entscheidungen respektierte, fühlt sich Ulrike Blessinger sehr gut begleitet. Da sie zu Beginn ihrer Krebserkrankung freischaffend tätig war, unterstützten ihre Eltern sie finanziell, als sie sich Zeit für den Heilungsprozess einräumte. Unterstützung im Haushalt durch Freunde, waren für sie hilfreicher als gut gemeinte Ratschläge.

Die „unumstößliche Erkenntnis“ über die Endlichkeit des Lebens sei für Ulrike Blessinger durch den Krebs wirklich spürbar geworden. Trotz der Dramatik der Erkrankung, sieht sie darin auch eine Chance, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen: Innehalten und sich darüber gewahr werden, was einem wirklich wichtig ist.

Das Interview wurde Mitte 2013 geführt.

 

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