Die Erfahrungen von Tova Goldblum

Portrait Die Brustkrebsdiagnose im Jahr 1992 ließ für Tova Goldblum eine Welt zusammenbrechen. Ihren medizinischen Beruf übt die 60-Jährige heute nicht mehr aus, sondern ist im Bildungsbereich tätig. Sie nimmt bereits seit über 15 Jahren Tamoxifen ein und erklärt, dass Ärztinnen und Ärzte Sie deshalb als Sonderfall betrachten würden. Seit zehn Jahren ist sie Leiterin einer Selbsthilfegruppe.

Tova Goldblums ÄrztInnen rieten ihr zur Abnahme der Brust. Da sie vor 35 Jahren ohne ihre Fanilie nach Deutschland gekommen war, fühlte sie sich damals sehr allein mit der Diagnose, mit ihren Ängsten und mit den Entscheidungen. Pro- und Contra-Listen halfen ihr, den richtigen Behandlungsweg zu finden.

Da sie ihren Eltern die Diagnose nicht über das Telefon mitteilen wollte, flog sie kurz nach der Operation in ihr Heimatland und berief dort einen „großen Familienrat“ ein. Sie versuchte, ihre Familie zu beruhigen, indem sie zeigte, dass sie nicht krank aussah und die Reise auf sich nehmen konnte. Zum Reden über den Krebs ist deshalb die Selbsthilfegruppe so wichtig.

Zurück in Deutschland unterzog sie sich einer auf sechs Zyklen angelegten Chemotherapie. Da sie leben und kämpfen wollte, entschied sie sich, den „Bacardi“, wie sie die roten Infusionen nannte, als etwas Gutes zu betrachten. Dennoch brach sie die Therapie nach vier Zyklen ab, da sie sich gut fühlte und auch ihre Blutwerte gut waren.

Bei der brustaufbauenden Operation ließ sie gleichzeitig die gesunde Brust verkleinern. Damit habe sie sich einen lang ersehnten Wunsch erfüllt. Tova Goldblum lebt heute alleine und berichtet, dass die Sexualität mit Männern schwierig geworden sei. Sie müsse die körperlichen Veränderungen ständig erklären, was sie dazu veranlasst habe, die Suche nach einem Partner aufzugeben.

Tova Goldblum kommt aus einer gläubigen Familie. Ihre Religion gebe ihr Halt und bringe ihr Klarheit. Gedanken aufzuschreiben und laut auszusprechen hat ihr geholfen, Probleme in einem anderen Licht zu sehen. So interpretiert sie den Brustkrebs als rote Signallampe, die ihr die Chance ermöglichte, sich selbst und ihr Umfeld zu ändern: Sie reduzierte ihr Gewicht um 60 Kilogramm und ergriff einen neuen Beruf.

Da ihre Eltern Holocaust-Überlebende sind und bereits viele Familienmitglieder verloren haben, ist es Tova Goldblums größter Wunsch, nicht vor ihren Eltern sterben zu müssen. Sie erzählt, dass sie eine Liste mit Dingen anfertigte, die sie noch ausprobieren und Orte, die sie noch bereisen möchte. Damit sei sie schon ziemlich weit gekommen und sie hofft, auch große Ziele noch zu erreichen.

Das Interview wurde Ende 2012 geführt.

 

 

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