Für Melody Zander besteht kein Zweifel daran, dass AD(H)S-Kinder wenig Verantwortung übernehmen und sich gegenüber Partnerinnen und Partnern problematisch verhalten werden.

Aber das ist halt die Zeit in der wir leben. Da kann man nur hoffen, dass man das Beste daraus machen kann. Aber es ist schlimm, wenn man wirklich keine Unterstützung bekommt oder hofft das man Unterstützung bekommt und aber eines besseren belehrt ist oder eines besseren belehrt wird, dass es eben nicht so ist. Also es ist besser, keine Unterstützung einzufordern und sich selber irgendwie durchzuwurschteln. Aber das geht dann eben auf die eigene Substanz und das ist auch nicht gesund. Das ist nicht der eigenen Gesundheit förderlich. Das ist auch nicht der Gesundheit der betroffenen Kinder oder Jugendlichen oder jungen Erwachsenen förderlich. Das ist auch der Gesellschaft nicht förderlich, weil es Krankheitskosten verursacht, Unzufriedenheit verursacht, wenn man das ganzheitlich betrachtet. Aber das tun eben diese Menschen nicht, trotz ihrer Bildung kommt man eigentlich sehr schnell zu dem Schluss, dass es einfach sinnvoll wäre, solche Menschen zu unterstützen, weil auch solche Menschen können Rentenzahler sein. Aber da muss man natürlich einen sehr großen Weitblick haben und eine nachhaltige Denkweise, eine ganzheitliche Denkweise. Und das ist halt vielleicht nicht unbedingt was, was Menschen in unser Führungselite haben. Da geht es um andere Dinge, um andere Werte und das ist das Problem. Da bleiben eben solche Dinge auf der Strecke. Aber ich weiß, dass ich das gemacht habe, was ich machen konnte im Rahmen meiner Möglichkeiten. Und ich hoffe, dass Fiona den richtigen Weg findet in dem richtigen Umfeld. Ich denke, sie hat es verdient. Und ich denke jedes Kind, jede Jugendliche hat es verdient. Und es wäre schön, wenn es Möglichkeiten gäbe, dass sich die Dinge in diese Richtung entwickeln, vielleicht auch durch ihre Arbeit. Ja, mir fällt jetzt so nichts ein. Ja, mit einem solchen Menschen zusammen leben, eine Partnerschaft aufzubauen, das ist natürlich auch so eine Sache, wo ich einfach heute auch anders sehe, weil ich das 30 Jahre hinter mir habe. Ich weiß es nicht, ob es möglich ist. Also es ist sicherlich möglich, aber ich sehe es an meinem Mann, dass da auch eine gewisse Reflexion nötig ist. Und ich glaube, dass manche, – vielleicht nicht alle –, aber ich glaube, dass ein Großteil dieser ADHS-Kinder oder dieser ADHS-Menschen nicht in der Lage sind zu reflektieren, was ihr eigenes Verhalten oder bedingt durch ihre eigenes Verhalten, ihr eigenes Fehlverhalten bewirkt in Bezug auf Familie, in Bezug auf Partner. Da sind sehr große Verletzungen da, die diese Menschen so nicht verstehen, weil sie einfach doch ein bisschen anders ticken. Also ich glaube nicht, dass das bei allen der Fall ist. Ich weiß nur, bei meinem Mann ist es so. Mein Mann hat die Sensibilität nicht. Ich sage immer: „Er ist ein emotionaler Analphabet." Das ist meine Tochter nicht. Aber sind beides ADHSler. Ich habe trotzdem ein bisschen Angst bei der Fiona, weil ich einfach glaube, Beziehungsfähigkeit ist sehr schwierig mit solchen Menschen. Also entweder trifft man so auf jemanden wie mich, der völlig selbstlos das in die Hand nimmt und alles macht und irgendwann nach 30 Jahren feststellt, nachdem ihm sehr viele Wunden zugefügt worden sind, das kann es ja wohl nicht sein oder das kann doch wohl nicht wahr sein. Oder ich meine, diese Dinge glaubt man im ersten Moment nicht, da braucht man drei / vier / fünf Jahre. Vor allem, wenn man eben ausgelastet ist mit anderen Problematiken noch. Man will das dann auch nicht wahrhaben und stellt dann halt irgendwann mal fest: „Also, wenn du dich da jetzt nicht raus löst, dann bist du in fünf Jahren weg." Und das sind dann so Sachen, wo ich denke, das ist ein sehr großes Problem, weil Liebe hin, Liebe her. Ich meine Fionas Freund ist ein netter Kerl und alles. Ich meine am Anfang ist alles schön und besonders. Aber wenn dann der Alltag einzieht und so diese Alltagsdinge hängen dann wirklich nur an einem und der andere ruht sich aus oder schmeißt einem auch noch Prügel in den Weg als spezielles Dankeschön und hintergeht einen oder betrügt einen oder was auch immer. Also ich meine, es gibt da ganz, ganz große – also man kann sich da aller möglichen Dinge bedienen. Dann ist es was, wo ich sage: „Das ist nicht in Ordnung." Und meine Erfahrung ist eben die, dass es Menschen gibt, die sich dieser Dinge gar nicht bewusst sind, was für Verletzungen sie anderen zufügen. Und wenn natürlich immer der Andere Schuld ist an allem, man selber aber nicht, ist das natürlich eine Sichtweise, die man haben kann. Aber es wird sicherlich nicht zu einem zu einem guten Ergebnis führen, weil wenn Dinge nicht gut laufen dann sind da immer mehrere beteiligt. Und das muss man halt erstmal sehen, erkennen und vielleicht auch mal für sich akzeptieren: „Ist glaube ich nicht so gut gelaufen, was ich da gemacht habe. Ich habe wirklich nur an mich gedacht." – Was ja nicht heißt, dass das schlecht ist. Aber wenn man sowas kann, denke ich mal, kann man gewisse Probleme, die da waren, wieder beseitigen. Aber wenn man eben feststellt, dass nicht mal die Einsicht da ist. Das ist das, dass wirklich die Schuld nur auf die anderen projiziert wird: es ist die Gesellschaft, es sind die Eltern, die nicht helfen und es ist was weiß ich, keine Ahnung, was es alles ist. – Also alles andere, aber selber ist man frei von irgendwelchen Dingen. Ich meine, das ist nicht der richtige Ansatz. Ich weiß, was ich falsch gemacht habe. Ich meine, ich weiß, dass ich diese Dinge selbstlos gemacht habe, deswegen bin ich da, wo ich jetzt bin. Und ich weiß, dass ich es immer noch tue, weil ich weiß, dass ich im gleichen Boot sitze. Das ist mein Problem und ich habe keine Lust, dass zu verlieren, wofür ich so hart gekämpft habe. Nur ist es schwierig, wenn sie so solche Menschen an der Backe haben, die ganz genau wissen: „Och, ich kann mich jetzt getrost zurücklehnen und Wochenende feiern. Ich weiß ja, da ist ja jemand, der sich kümmert, der meine Rechnungen zahlt oder den Kopf hinhält." Also ich sehe diese Problematik in gewisser Weise auch bei der Fiona, weil sie eben diese Alltagstauglichkeit oder diese Alltagskompetenz nicht hat. Und es spielt für mich keine Rolle, ob mein Mann jetzt ADHSler und Legastheniker ist oder ob meine Tochter ADSlerin ist und Dyskalkulikerin. Es spielt für mich keine Rolle, ich sehe einfach die Parallelität, ist einfach diese fehlende Alltagstauglichkeit, zu wissen: „Okay, wenn ich selbstständig bin, dann ist es nicht damit getan morgens auf die Baustelle zu fahren und abends wieder zurück zu kommen, sondern da hängen ganz viele andere Dinge auch noch mit zusammen." Natürlich kann man das ausblenden – vor allem, wenn man so jemanden hat wie mich. Aber machen ja auch viele. Aber das ist der Beziehung nicht förderlich, das ist der Gemeinschaft nicht förderlich und es ist vielen Dingen nicht förderlich. Aber man kann es halt nicht erzwingen. Das ist halt so. Man lernt sehr viel im Laufe seines Lebens. Früher hatte ich keine Ahnung. Früher war ADHS jetzt nicht so wirklich in aller Munde. Als ich meinen Mann kennen gelernt hatte, da hat mir seine Mutter gesagt: „Ich glaube, ich war 19 Mal mit ihm im Krankenhaus wegen irgendwelchen Knochenbrüchen." Ich weiß heute, mein Mann hat wahnsinnige Selbstwertproblematiken, die er überspielt: es geht – egal was er tut –, immer nur um ihn. Und ich weiß auch, dass er sich mich nicht umsonst ausgesucht hat, weil er ganz genau gewusst hat: „Okay, das ist meine Ersatzmami, die wird alles regeln für mich, die muss zwar nicht  20 Mal zum Knochenbrecher oder Gipser fahren, aber die macht den Rest, den ich dann anrichte." Und das ist –, wenn man als Mädchen schon die Verantwortung für zwei jüngere Geschwister hatte –, natürlich klar, wenn man mit 18 auszieht und weiß: „Okay, du bist jetzt auf dich allein gestellt. Du musst jetzt gucken, dass du irgendwie überlebst." Dann bist du alleine in (Name einer Großstadt), bekommst deine Tochter alleine, machst deinen Job weiter, zahlst ihm noch die Miete für die Wohnung. Man erkennt diese Dinge nicht so wirklich, wie das zusammenhängt. Das erkennst du wirklich erst, wenn es zu spät ist. Vor allem, wenn du dann so zugedeckt bist mit Arbeit und Verantwortung, dass du nicht mal mehr atmen kannst. Da brauchst du halt 30 Jahre, bist du aufwachst – oder 20 Jahre. Und es braucht dann halt manchmal auch wirklich gesundheitliche Aktionen, dass man wirklich auch tatsächlich realisiert, dass es nicht gut ist, wie die Situation ist.
Also es ist sehr schwierig. Aber wie gesagt, solange diese Menschen keine Familie haben, denke ich mal, ist alles im Rahmen des Möglichen. Aber in dem Moment, wo eben ein Partner da ist, eine Familie da ist oder einfach irgendwas da ist, wofür Verantwortung getragen werden muss. Ich meine, natürlich kann ich mir ein Auto kaufen und sagen: „Ist mir doch wurscht, ob ich da jetzt TÜV habe oder nicht." Natürlich, aber das fällt zurück. Ich meine, wenn man die Verantwortung für – egal, ob es etwas Materielles ist oder ob es was Persönliches ist – wenn man nicht in der Lage ist, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dann sollte man auch einen großen Bogen um solche Dinge machen. Ist meine persönliche Meinung. Aber ich weiß nicht, ob das mit ADHS zu tun hat. Aber ich habe schon das Gefühl, dass es damit zu tun hat, weil diese Menschen, glaube ich, sogar nicht in der Lage sind, für sich selber Verantwortung zu übernehmen – oder nur begrenzt. Es gibt da sicherlich auch eine große Bandbreite. Es gibt sicherlich welche, die das besser können – da ist vielleicht das ADHS oder das ADS nicht so ausgeprägt. Ich denke mal, dass es keine Rolle spielt, ob ADHS oder ADS. Ich denke, dass das wahrscheinlich relativ Jacke wie Hose ist. Ich denke eine Frau, die geheiratet wird, wo der Mann einfach die Zahlen und Fakten da managt und er akzeptiert, dass er halt nur in der Küche vielleicht kochen kann – dann kann sowas schon funktionieren. Aber wenn die Dinge dann doch vielleicht ein bisschen komplizierter sind, mit Selbstständigkeit und Kindern und was weiß ich und Verantwortung – und es ist da kein ausgeglichenes Verhältnis da –, dann wird das sicherlich über langfristig nicht funktionieren oder nur mit jemanden, der ziemlich bescheuert ist und sich wirklich ausnehmen lässt, wie eine Weihnachtsgans und zu spät kapiert, was eigentlich gespielt wird.