Die Erfahrungen von Joachim Pelzer

Portrait Joachim Pelzer ist 68 Jahre alt, hat vier Kinder, zwölf Enkelkinder und lebt mit seiner Ehefrau auf dem Land. 2001 wurde Prostatakrebs diagnostiziert. Zudem leidet er schon lange an einer Depression. Lebenserfüllung und -bereicherung findet er heute in der aktiven Selbsthilfearbeit.

1999 ließ Joachim Pelzer das erste Mal eine Früherkennungsuntersuchung durchführen, die eine kleine Auffälligkeit beim Tastbefund ergab. Sein Hausarzt beruhigte ihn und verordnete keine weiteren Untersuchungen und auch Joachim Pelzer machte sich keine weiteren Gedanken. Zwei Jahre später starb seine Halbschwester an Brustkrebs. Dies rief ihm den Tastbefund wieder in Erinnerung und veranlasste ihn dazu, seine Prostata nochmals untersuchen zu lassen. Ein positiver Tastbefund und eine anschließende Stanzbiopsie führten dann zur Prostatakrebsdiagnose. Diese löste bei Joachim Pelzer Hilflosigkeit und Wut aus. Eine einseitig nerverhaltende Operation folgte kurze Zeit später.

Da Joachim Pelzer durch die Depression bereits intensive Psychotherapieerfahrung hatte, wusste er, dass das Sprechen über den Krebs und seine damit verbundenen Gefühle ihm dabei helfen würde, Ängste und Unsicherheiten abzubauen. Joachim Pelzer betont, dass er eine echte Krankheitsbewältigung erst durch die Psychotherapie, die er nach der Diagnose des Rezidivs 2005 begonnen hat, angehen konnte. Die Psychotherapie unterstütze ihn auch darin, während der Strahlen- und Hormonentzugstherapie „seinen roten Lebensfaden“ und damit seine Zukunftsperspektive nicht zu verlieren.

Etwa ein Jahr nach seiner Erstdiagnose gründete Joachim Pelzer zusammen mit anderen Prostatakrebs-Betroffenen eine Selbsthilfegruppe und hofft, dadurch die Sichtweise auf Prostatakrebs verändern zu können: Offene Kommunikation und insbesondere die Psychoonkologie sind für Joachim Pelzer feste Bestandteile der Krankheitsaufarbeitung. Sein Ziel sei es, Betroffenen Handlungsoptionen anzubieten und keine Vorschriften im Sinne von „Du musst“ zu machen. Als selbstentscheidender Patient aufzutreten, findet Joachim Pelzer besonders wichtig.

So habe er sich beispielsweise nach einigem Ausprobieren gemeinsam mit seiner Ehefrau bewusst gegen Hilfsmittel zum Ausgleich seiner erektilen Dysfunktion entschieden. Durch den Prostatakrebs habe er erkannt, dass Sexualität nicht lediglich in Form von Geschlechtsverkehr passiere, sondern auch durch intensive körperliche Nähe, tiefe menschliche Zuneigung und Vertrauen entstehen könne.

Mittlerweile geht Joachim Pelzer davon aus, dass sein Prostatakrebs nicht mehr heilbar ist, wohl aber, dass das Krebswachstum durch geeignete Therapien im Wachstum gehemmt wird. So ist für Joachim Pelzer die „Lebensqualität auch mit Prostatakrebs“ ein wichtiges Augenmerk seines täglichen Lebens geworden. Die zusätzliche Inanspruchnahme der Komplementär- und Palliativmedizin sowie bei Bedarf der Psychoonkologie sind für ihn sehr wichtig geworden. Den Krebs deutet er als Möglichkeit, besondere Seiten des Lebens kennenzulernen und fasst die letzten elf Jahre als die bisher schönsten und intensivsten seines Lebens zusammen.

Das Interview wurde Ende 2012 geführt.

 

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