Einschränkungen und Unterstützung im Alltag

Viele unserer Interviewpartner*innen berichten, dass sie aufgrund der Darmkrebserkrankung auch Einschränkungen im Alltag hinnehmen mussten und häufig auf Hilfe anderer angewiesen waren. Während das für manche kein Problem darstellte, erzählen andere, dass es ihnen durchaus schwer gefallen sei, um Hilfe zu bitten und diese auch anzunehmen.

Jutta Groß fällt es schwer, um Hilfe zu bitten. 

Annemarie Merscher kann mittlerweile gut Hilfe annehmen.

Fatigue, Erschöpfung

Bei vielen Krebspatient*innen tritt im Laufe der Erkrankung, oft auch in Zusammenhang mit der Behandlung, eine besonders ausgeprägte Form der Erschöpfung auf, die auch „Fatigue“ (aus dem Französischen: Müdigkeit, Ermattung) genannt wird (siehe auch https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/fatigue/fatigue-index.php). Dabei kann es in unterschiedlicher Ausprägung zu körperlicher Erschöpfung mit vermehrtem Schlafbedürfnis kommen, aber auch zu psychischen Auswirkungen wie Motivations- und Antriebsstörungen. Einige unserer Interviewpartner*innen berichten über anhaltende Erschöpfungszustände, auch wenn sie früher sehr aktiv und fit gewesen waren.

Richard Linde ist durch die Erschöpfung im Alltag eingeschränkt und froh, sich seine Zeit einteilen zu können.

Weitere Beeinträchtigungen

Neben der Fatigue berichten einige unserer Erzähler*innen über Konzentrationsstörungen, die sie als Folge der Chemotherapie zurückbehielten. Sie fühlten sich im Alltag dadurch so eingeschränkt, dass sie viele Strategien anwenden mussten, um Dinge nicht zu verlegen oder zu vergessen (siehe auch „Nebenwirkungen der Chemotherapie“).

Jutta Groß erzählt, wie ihre Konzentration und Merkfähigkeit beeinträchtigt wurde.

Einige unserer Erzähler*innen waren durch eine Polyneuropathie, einer Schädigung des peripheren Nervensystems, bei der es meist zu Sensibilitätsstörungen und verändertem Kälte- oder Hitzeempfinden kommt (siehe auch „Nebenwirkungen der Chemotherapie“), im Alltag sehr beeinträchtigt (Schwierigkeiten beim Hemden und Schuhe an- und ausziehen, Kochen, Autofahren, Gehen). Das hatte teilweise auch Auswirkungen auf die Arbeitstätigkeit (siehe „Arbeit und Rente“).

Maria Rich konnte die alltäglichen Dinge des Lebens während der Chemo nicht erledigen.

Häufig beschreiben unsere Erzähler, dass es für sie wichtig gewesen sei, sich mehr Zeit für ihre Aufgaben einzuteilen und zu versuchen, sich auch über kleine Fortschritte zu freuen und nichts zu erzwingen. Dies war auch für die mit einem Stoma zusammenhängenden zeitlichen und sonstigen Beeinträchtigungen wichtig (siehe „Leben mit dem Stoma“).

Holger Pfleger muss sich für seine Aufgaben mehr Zeit einplanen.

Auf eine Toilette in der Nähe angewiesen sein

Sowohl Erzähler*innen mit einem dauerhaften Stoma als auch Erzähler*innen ohne Stoma berichten, dass sie teilweise über viele Jahre hinweg oder dauerhaft Verdauungsprobleme hatten und stets auf eine Toilette in ihrer Nähe angewiesen waren (siehe auch „Ernährung, Verdauung und Inkontinenz“ und „Ernährung mit Stoma“). Dies schränkt den Alltag deutlich ein, nicht nur, wenn es um die Mobilität geht (siehe auch „Unterwegs sein und reisen“), sondern auch, was die Nutzung der Toilette zuhause anbelangt oder auch die Verlässlichkeit, Termine wahrnehmen zu können oder Besuche empfangen zu können.

Rosi Blumenthal kann schlecht gehen und hat Probleme mit dem Stuhlgang. Deshalb muss sie oft Termine absagen.

Auswirkungen auf das soziale Leben

Besonders bei Verdauungsproblemen oder wenn die Stomapflege viel Zeit in Anspruch nimmt, berichten manche unserer Erzähler*innen, dass sie sich teilweise zurückzogen, sich nicht ständig erklären wollten und auch in Gesellschaft häufig nichts essen konnten. Oft kamen sie damit in eine Sonderstellung. Für manche war dies leichter hinzunehmen, andere hatten damit zu kämpfen, besonders, wenn sich die Situation nicht änderte oder der Bekanntenkreis wenig darauf eingehen konnte.

Bernhard Kleinstück braucht viel Zeit für sich und die Versorgung. Das dauert Außenstehenden manchmal zu lange.

Einerseits berichten einige, dass sie froh waren, wenn man sie normal behandelte, für manche war es aber auch irritierend, wenn sie merkten, dass andere ihre Krankheit und ihre Schwäche nicht bemerkten. Das zeigte sich zum Beispiel bei Fragen wie: „Haben Sie abgenommen?“ oder „Waren Sie im Urlaub?“. So war es für manche nicht einfach, wem und wie viel sie in der Öffentlichkeit von sich Preis geben wollten.

Unterstützung

Viele erlebten jedoch auch viel Toleranz und Unterstützung durch Bekannte, Freunde und ihre Familien (siehe „Auswirkungen auf die Familie und den Freundeskreis“), insbesondere, wenn sie einen offenen Umgang mit ihrer Erkrankung pflegten.

Sonja Novotny wurde mit ihrem Sonnenschirm schräg angeguckt, ging aber offen auf die Menschen zu.

Susanna Zier hat Unterstützung durch die Nachbarschaftshilfe und Freunde, die ihren Hund versorgen.

Manche erhielten auch Unterstützung in Form von Beratung und Gesprächen (siehe „Informationssuche und Patientenkompetenz“), was ihnen beispielsweise auch bei der Bewerkstelligung des eigenen Haushalts weiterhalf.

Einigen unserer Erzähler*innen wurden manchmal aber auch Hilfsangebote oder die Behütung zu viel, da es ihnen wichtig war, möglichst normal zu leben und ihre Eigenständigkeit zu wahren.

Matthias Mitternich möchte kein Mitleid, sondern als ganz normaler Mensch wahrgenommen werden.

Hilfe, Unterstützung und Pflege durch externe Dienste

Manchen fiel es auch schwer, von Fremden Hilfe anzunehmen, wie einer Sozialstation, einem Pflegedienst oder anderen Hilfseinrichtungen. Dies war bei einigen unserer Interviewpartner*innen zeitweise nötig (siehe https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/alltag/krankenpflege-adressen.php), da sie so eingeschränkt waren, dass sie ihre Körperpflege nicht mehr selbst verrichten, den Haushalt nicht mehr führen, die Kinder nicht versorgen konnten oder, wenn Medikamente oder künstliche Ernährung gegeben werden mussten.

Sarah Lemke hatte über ein dreiviertel Jahr während ihrer ambulanten Therapie eine Familienhelferin, die sie sehr unterstützte (siehe auch „Auswirkungen auf die Familie und den Freundeskreis“). Sie erlebte dies als sehr entlastend. Jutta Groß ist alleinerziehende Mutter. Für sie war es zeitweise schwierig, ihre Kinder zu versorgen oder Essen zu kochen. Hierfür musste sie viel Geld ausgeben (siehe „Behörden, Kostenträger und Finanzen“). Viele unserer Interviewpartner*innen berichten, dass sie versuchten, so lange wie möglich selbstständig zu leben. Sie fanden es aber wichtig, im Zweifelsfall auf Hilfseinrichtungen zurückgreifen zu können, was sich jedoch nicht immer als einfach herausstellte (siehe auch „Rückfall- und Metastasentherapie, palliativmedizinische Versorgung“).

Emil Groh versucht noch herauszuzögern, auf externe Hilfe wie einen Pflegedienst angewiesen zu sein. 

Eine Art Unterstützung im Alltag und bei der Krankheitsbewältigung waren für viele unserer Interviewpartner*innen auch Ressourcen wie Sport und Bewegung, kurze Reisen und Unternehmungen, (neue) Hobbys, der Glaube und Podcasts (siehe auch Persönlicher Umgang). So beschäftigt sich Uwe Dierks beispielsweise mit historischen Fotografien und seinem Stammbaum. Dadurch kann er zumindest zum Teil die fehlenden sozialen Kontakte kompensieren.